Mittwoch, 6. April 2016

So tickts in einer schweizer Schule

Therwil hält an Händedruck-Dispens fest

Von Dina Sambar. Aktualisiert am 05.04.2016 176 Kommentare
Trotz landesweitem Aufschrei spricht der Rektor von einem gangbaren Kompromiss mit zwei muslimischen Schülern. Der Fall beschäftigt die Schulleitung schon seit dem letzten November.


Zwei muslimische Schüler müssen an der Sekundarschule Therwil ihren Lehrerinnen die Hand nicht zur Begrüssung reichen. Der Fall wurde in der SRF-Fernsehsendung «Arena» vom Freitag durch eine Publikumsmeldung bekannt und hat landesweit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Politiker aller Parteien, Lehrerverbände und Tausende Kommentatoren äusserten in den Medien, auf Facebook und Twitter gefragt und ungefragt ihre Meinung. Der vorherrschende Tenor ist Unverständnis für den Entscheid der Schule, welche diese «Diskriminierung der Frauen» mittels Sonderregelung zulässt. Die CVP Baselland plant einen Vorstoss und die SVP Baselland will das Bildungsgesetz anpassen, um solche Fälle in Zukunft zu verhindern (siehe kleiner Text unten). Sogar Bundesrätin Simonetta Sommaruga äusserte gestern Abend in der SRF-Sendung «10vor10» ihr Missfallen über den Händeschüttel-Dispens.
Jürg Lauener, Rektor der Sekundarschule Therwil, nennt diese Sonderregelung gegenüber der BaZ einen gangbaren Kompromiss: Die Brüder im Alter von 14 und 15 Jahren, es handelt sich laut «10vor10» um sehr religiöse Syrer, die in der Schweiz aufgewachsen sind, schütteln weder die Hände der Lehrerinnen noch der Lehrer, sondern grüssen alle mit einem mündlichen höflichen Gruss.
Religiöse Überzeugung als Grund
Der Fall beschäftigte die Schulleitung von Therwil bereits im November. «Die Verweigerung des Händedrucks gegenüber Lehrerinnen wurde seitens der Schüler mit ihrer religiösen Überzeugung begründet», sagt Lauener.
Die betroffenen Lehrerinnen hätten sich durch den verwehrten Händedruck diskriminiert gefühlt, weshalb man das gemeinsame Gespräch mit den Schülern, den Eltern, der Schulleitung und den Lehrpersonen gesucht habe: «Seitens der Schule wurde dargelegt, dass die Anders-Behandlung von Lehrerinnen faktisch eine Diskriminierung darstellt, auch wenn sie nicht als solche gemeint ist», schreibt die Schulleitung in einer Stellungnahme.
Die Burschen haben mit moralischer Unterstützung der Eltern an ihrer Überzeugung festgehalten, worauf der Kompromiss mit dem höflichen Gruss getroffen wurde. «Mit dieser Regelung ist zumindest die besagte Diskriminierung zwischen den Geschlechtern beseitigt», sagt Lauener. Dass die Diskriminierung durch diese Regelung nur in der Ausführung und nicht in den Köpfen der Schüler abgelegt wurde, bestreitet der Rektor nicht: «Die Einstellung der Schüler können wir nicht ändern.»
Einverständnis der Lehrer
Trotz dem nationalen Aufschrei und der zigfach via Medien und Social Media geäusserten Forderung, die Regelung rückgängig zu machen, hält der Rektor am getroffenen Kompromiss fest. Mangels Rechtsgutachten und Handlungsempfehlungen habe die Schulleitung ein eigenes Vorgehen im Sinne eines reibungslosen Schulbetriebs gewählt. «Wir hatten ein Problem, das mussten wir lösen. Da können wir nicht wochenlang beratschlagen», sagt Lauener. Es sei zwar etwas zu viel, zu sagen, die Lehrerinnen seien glücklich mit dem Kompromiss, doch auch sie hätten im November ihr Einverständnis gegeben.
Seither habe die Regelung gut funktioniert: «Die Schüler verhalten sich mit dem mündlichen Gruss sehr höflich und fallen auch sonst nicht negativ auf.» Zudem denkt der Rektor nicht, dass man mit disziplinarischen Massnahmen einen Händedruck einfordern könne, dieser sei ja «nur eine Usanz».
Was an diesem Wochenende, an dem jeder und jede sich zu dem Thema äusserte, auffiel, war das Schweigen der Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP). Gestern nahm nun auch sie Stellung.
Nicht im Stich gelassen
Obwohl die Sekundarschule Therwil sich bei der Bildungsdirektion schon im November nach Richtlinien erkundigte, fühlt sich Lauener vom Kanton nicht alleine gelassen: «Wir sind eine teilautonome Schule und müssen Probleme vor Ort lösen können. Zudem habe ich gestern wieder die Zusicherung erhalten, dass in Sachen Richt­linien etwas im Tun ist», so der Rektor, der eine kantonale Handlungsempfehlung begrüssen würde: «Je nach Resultat des kantonalen Gutachtens werden wir unsere Praxis anpassen. Bis dahin gilt die aktuelle Regelung.»
Auch der Therwiler Gemeinderat wünscht sich seitens des Kantons eine klare Aussage zur künftigen Handhabung. Er betont, dass der Kanton für die Sekundarschule zuständig ist und die Gemeinde weder in die Entscheidungsfindung involviert war noch vorgängig über den Beschluss informiert wurde. In einer Medienmitteilung betont er, dass der Entscheid der Schule nicht der Haltung des Gemeinderates entspreche. Händeschütteln gehöre in der Schweiz zur gesellschaftlichen Kultur. An den Therwiler Schulen diene es dem besseren Kennenlernen von Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern und drücke Respekt und Wertschätzung aus. (Basler Zeitung)
Erstellt: 05.04.2016, 06:27 Uhr
http://bazonline.ch/basel/gemeinden/therwil-haelt-an-haendedruckdispens-fest/story/16186658?comments=1

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